Die Wanderausstellung von
"Demokratie! step by step" - das neue Bremer Projekt

Demokratie: das ist mehr als eine Staatsform mit Wahlen und wechselnden Regierungen, mit Gewaltenteilung und bürger:innenlichen Grundrechten. Zum Wesen der Demokratie gehören Kompromiss, Dialog und der Austausch verschiedener Meinungen. Fähigkeiten, die in den vergangenen Jahren im Zuge populistischer Strömungen, politischem Extremismus und Werte-Blasen im Internet in Gefahr geraten sind. 
 
Mit der Wanderausstellung „Demokratie! Step by Step“ will das Bürgerzentrum Neue Vahr e.V. dieser Bedrohung entgegentreten. „Wir wollen die Inneren Räume, die emotionalen Voraussetzungen für eine Demokratie wie Neugier, Mut und Empathie, Schritt für Schritt erlebbar machen“, sagt Projektleiterin Saher Khanaqa-Kükelhahn. 
 
Das Bürgerzentrum hat die Ausstellung mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Psychologie, Pädagogik, Politik, Wirtschaft, Architektur, Grafikdesign, Theater und Journalismus entwickelt. An über 20 Exponaten und Mitmachstationen können die Besucher:innen ab Anfang September die Lebendigkeit eines demokratischen Gesellschaftssystems entdecken. „Wenn man sich die demokratiegefährdenden Entwicklungen der vergangenen Jahre in vielen Ländern anschaut, dann darf man sich schon mal Sorgen machen“, meint Martin Ploghöft, Geschäftsführer des Bürgerzentrums, der die Ausstellung mit entwickelt hat.  
 
Den Rahmen der Ausstellung bilden Länderstationen, in denen Teilnehmende in kurzen Filmen das politische Leben in ihren Herkunftsländern und ihre persönlichen Erlebnisse vorstellen. In interaktiven Interviews berichten zudem Bremer:innen und Angehörige aus ‚Drittstaaten‘ (BAMF:  Länder aus dem Nicht-EU Raum bzw Nicht-Europäischem Wirtschaftsraum) über ihre Erfahrungen und ihre Haltung zur Demokratie.  Am „Runden Tisch der Demokratie“ im Zentrum der Ausstellung, die wie ein Marktplatz aufgebaut ist, debattieren die Teilnehmenden über Partizipation und Engagement, über Gemeinsamkeiten und das Aushalten auch unterschiedlicher Ansichten. „Wir wollen eine Kultur der anerkennenden Auseinandersetzung pflegen. Es geht aber auch darum, Dich mit Dir selbst auseinanderzusetzen“, betont Projektleiterin Khanaqa-Kükelhahn die inneren Attribute, die es braucht um Demokratie zu leben. „Wenn Du keinen Mut hast, kannst Du Dich nicht für Demokratie einsetzen. Wenn Du keine Empathie hast, kannst Du nicht hinter sozialer Gerechtigkeit stehen“. Ein wichtiges Ziel der Ausstellung ist die Vernetzung zwischen gebürtigen Deutschen und Zugewanderten.  
 
„Ich habe keine Angst in Deutschland“, sagt zum Beispiel die gebürtige Iranerin (Name), die vor 34 Jahren als politisch Verfolgte aus ihrer Heimat floh und heute in der Vahr in Bremen lebt. Nun ist auch Deutschland für sie kein Land mit einer hundertprozentig funktionierenden Demokratie, aber Errungenschaften wie Meinungsfreiheit und die Rechte von Frauen, sexuelle Selbstbestimmung und die Trennung von Staat und Religion gebe es im Iran so nicht. 
 
Die Ausstellung wird in verschiedenen Bremer Stadtteilschulen, Bürgerhäusern und Unterkünften für Geflüchtete zu sehen sein. Auch stehen verschiedene öffentliche Plätze zur Debatte. Anschließend wird die Ausstellung weiteren Interessierten in deutschen Städten zur Verfügung gestellt und in Berlin zu Sehen und Erleben sein.
Extra für das Projekt geschulte „Ausstellungslots:innen“ begleiten die Besucher:innen durch die Ausstellung. Sie stoßen Diskussionen über Menschenrechte und Gewaltenteilung, über Rassismus und religiösen Extremismus an. Auch unbequeme Fragen gehören dazu: „Welche Ungleichheiten kann eine Demokratie aushalten?“ „Wo fängt Meinungsfreiheit an und wo hört sie auf?“ 
 
Die Politik-Studierende Laura Stephens begleitet und koordiniert die Ausbildung der Ausstellungslots:innen. Auch für die 27-Jährige zeichnet diese Staats- und Gesellschaftsform mehr aus als institutionelle Anlässe wie Wahlen oder Funktionsprinzipien wie die Gewaltenteilung. Auch für Stephens geht es um die besagten Inneren Räume der Demokratie, die sich in ganz individuellen persönlichen Werten und Haltungen äußern. „In den Workshops haben wir uns die Frage nach der eigenen Rolle in dieser Gesellschaft gestellt. Was ist meine Aufgabe, was sind meine Rechte? Was brauche ich, damit ich mich äußern kann? Zum Beispiel bei Wahlen: Eine Meinung natürlich und ein gewisses Maß an Bildung, aber auch so etwas wie Mobilität“.
 
Mit der Ausstellung „Demokratie! Step by Step“ können die Besucher:innen die Kraft und Lebendigkeit der Demokratie, aber auch die Gefährdung dieser Gesellschaftsform erleben. Doch vor allen Dingen werden sie als aktiver Teil der Ausstellung gesehen, der im Austausch steht mit anderen Besucher:innen, Ideen erfährt, Ideen gibt und Ideen gemeinsam kreiert. Für die Bremerin Stephens ist Demokratie kein statisches Konstrukt, sondern ein dauerhafter Prozess. Denn die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Form des Zusammenlebens, die Menschen immer wieder neu lernen müssen.